Fragerunde Nr. 23 - Chris „der Bibliothekar“

Zur Person

Chris kennt man in der Bitcoinszene durch die Podcasts Nodesignal und Bitcoin Bibliothek. Er tritt bei ersterem als Host auf und führt in unterschiedlichen Formaten, recht breit gefächert, Gesprächsrunden rund um das Thema Bitcoin. Man kann Nodesignal als einen der technischsten Wissensvermittler im deutschsprachigen Bitcoinspace bezeichnen. Wer erfahren möchte möchte, wie man Nodes aufsetzt, selbstsouveräner im digitalen Raum wird, die technische Komponente hinter Bitcoin detailliert lernen möchte und vieles mehr, der ist hier genau richtig. Für blutige Anfänger könnte dieser Kanal eventuell überfordernd erscheinen zu Beginn, Fortgeschrittene und Experten kommen hier definitiv voll auf ihre Kosten. Chris selbst kann als überzeugter, technikaffiner Bitcoiner bezeichnet werden. Er schafft es zudem super, neben seiner Digitalexpertise, Verknüpfungen von Bitcoin aus ökonomischen, gesellschaftlichen, philosophischen und gesellschaftlichen Blickwinkeln mit in die Wissensvermittlung einfließen zu lassen. Fun Fact: Chris selbst hat es als einer der wenigen Bitcoiner geschafft, seine Lebensgefährtin durch das Buch „Der Bitcoin Standard“ für dieses Rabbit Hole zu begeistern. Ihr findet den sympathischen Herren hier auf X.

Zu Chris habe ich Kontakt über die Plattform X aufgenommen, seine Antworten hat er mir durch einen Link zu einem Word Dokument zukommen lassen.

1. Wer oder was hat dich auf Bitcoin aufmerksam gemacht?

Zu Bitcoin bin ich aus der Not heraus gekommen. Vor einigen Jahren habe ich gemerkt, dass mich meine finanzielle Situation trotz gutem Einkommen immer mehr in ein Hamsterrad getrieben hat. Irgendwann habe ich mich in schlaflosen Nächten gefragt, was dieses "Geld" eigentlich ist, das mich so schuften lässt. Leider bin ich nicht direkt bei Bitcoin gelandet, sondern habe mich zunächst durch die üblichen Bücher zur finanziellen Bildung gelesen. Irgendwann bin ich auf "The Bitcoin Standard" von Saifedean Ammous gestoßen. Dieses Buch zu lesen war wie eine Offenbarung. Ich hatte immer noch schlaflose Nächte. Aber nicht mehr wegen des Grübelns über das Hamsterrad, sondern vor Aufregung über die Erkenntnis, dass unser Geldsystem kaputt ist und dass Bitcoin als eine für den Einzelnen greifbare Lösung dieser Misere bereits existiert. Wie ich auf den "Bitcoin Standard" gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ich werde die Nächte nicht vergessen, in denen ich das Buch verschlungen habe und vor Aufregung über diese für mich neue Entdeckung nicht schlafen konnte. Nichts hat mich je so fasziniert wie die Entdeckung von Bitcoin.

2. Wer hat dir am Anfang am meisten Bildung zu dieser Entdeckung vermitteln können?

Als ich Bitcoin für mich entdeckt habe, habe ich zunächst wie ein Schwamm alle Informationen aufgesogen, die irgendwo auch nur ansatzweise verfügbar waren. Besonders fasziniert haben mich die vielen Artikel, in denen verschiedene Autoren mit unterschiedlichem Fachwissen aus ihren jeweiligen Fachgebieten versucht haben, Bitcoin als Ganzes zu beschreiben. Diese Bitcoin-Literatur habe ich mir bei Bitcoin Audible, gelesen von Guy Swann, als Podcasts auf vielen Spaziergängen angehört. Der eigentliche Wissensbooster war aber, eigene Bitcoin-Inhalte zu erstellen und Wissen aufzubereiten. Bitcoin-Artikel für meinen deutschsprachigen Lesepodcast die "Bitcoin Bibliothek" zu übersetzen, zu lesen und daraus eine Podcast-Episode zu produzieren, hat mich sehr tief in die Bitcoin-Welt eintauchen lassen. Parallel dazu haben wir auf dem Bitcoin-Meetup in Köln den "Nodesignal-Podcast" gestartet und gemeinsam "Grokking Bitcoin" von Kalle Rosenbaum gelesen. Dieses sehr technische Buch hätte ich alleine nie gelesen. Die Kombination aus der Podcast-Produktion von vorgelesenen Artikeln, die Bitcoin und seine Funktionsweise beschreiben und dem Buchclub zum technischen "Grokking Bitcoin" war wie ein Bitcoin-Grundstudium für mich. Die Frage nach dem "Wer" kann ich daher nicht so einfach beantworten. Das Verschlingen und Aufbereiten von Bitcoin-Content und der Austausch mit anderen "Bitcoin-Lehrlingen" war sicherlich der größte Einfluss.

3. Wann hast du angefangen Bitcoin ernst zu nehmen?

Bitcoin habe ich ab dem ersten intensiveren Kontakt, der Lektüre des "Bitcoin Standard", sehr ernst genommen. Als ich dann aber durch "Grokking Bitcoin" zum ersten Mal nachvollziehen konnte, wie eine hierarchisch-deterministische Wallet (HD-Wallet) aufgebaut ist und funktioniert, war klar: "Dieser Shit ist real und keiner kann ihn aufhalten!". Ich habe dann selbst meine Seeds mit Münzen geworfen, mir einen Seed-Signer gebaut und Transaktionen über meinen Node gebroadcastet und verifiziert. Das war der Moment, in dem ich begriffen habe, dass ich mein finanzielles Schicksal selbst in der Hand habe. Bitcoin ist mehr als eine Marke oder ein Meme. Bitcoin ist so real wie die Schwerkraft. Irgendwann wird es jeder ernst nehmen müssen. Für mich gibt es seitdem nur noch Bitcoiner und Pre-Coiner ;-) 
"It might make sense just to get some, in case it catches on." (Satoshi Nakamoto, 2009)

4. Wohin wünschst du dir, dass sich unsere Gesellschaft durch Bitcoin entwickeln könnte?

Das ist eine ziemlich große Frage, zu der viele Bitcoin-Autoren lange und ausführliche Artikel oder sogar ganze Bücher geschrieben haben. Eines meiner Bitcoin-Lieblingsbücher beschäftigt sich unter anderem mit dieser Frage: "Bitcoin is Venice" von Allen Farrington. Eine absolute Leseempfehlung!  Hier mein Lieblingszitat aus dem Buch - vielleicht gibt es schon einen Hinweis auf die Antwort zu der gestellten Frage:

"Bitcoin is not trying to damage or sabotage its opponents, because it isn’t trying anything and it knows no opponents. It has no awareness whatsoever of who might oppose it or why. It is simply an alternative; an exit valve; an opt-out. It is competing only insofar as it is proving to be a far superior alternative. It is not a sword for Theseus to fight the Minotaur, but a thread to follow to exit the labyrinth. Bitcoin is Ariadne."

Bitcoin ist ein friedlicher Ausweg für das Individuum - aus dem langsam aber sicher scheiternden Fiat-Experiment.

Ich versuche, meine Antwort auf die für mich wichtigsten Punkte zu komprimieren:

Bitcoin stärkt und schützt den kleinsten Mosaikstein der Gesellschaft - das Individuum. Es gibt den Menschen die Möglichkeit, ihr eigenes Vermögen zu verwalten und zu verwahren, ohne auf Banken oder Finanzinstitute angewiesen zu sein. Einer meiner Mentoren bei der Arbeit sagte einmal zu mir. "Du brauchst einen Geldbetrag, mit dem du einfach den Mittelfinger zeigen kannst, wenn du genug hast." Das hat mich damals sehr fasziniert. Mit Bitcoin habe ich verstanden, dass dieses "Fuck-You-Money" nicht unbedingt von einem Geldbetrag abhängt, sondern von der Nicht-Zensierbarkeit, der Nicht-Inflationierbarkeit und der Verfügbarkeit des Geldes ohne Dritte. Wenn viele Menschen über ein derartiges Geld verfügen, wird es in einer Gesellschaft viel ehrlicher und aufrichtiger zugehen.

Darüber hinaus fördert das Fiat-Geldsystem durch Inflation und schuldenbasiertes Wachstum kurzfristigen Konsum und steigenden Ressourcenverbrauch, was zu Überproduktion und einer unabsehbaren Belastung unseres Planeten führt. Ein auf Bitcoin basierendes System hingegen könnte langfristiges Sparen, nachhaltigen Konsum und eine effizientere Ressourcennutzung fördern, da es ohne künstlichen Wachstumszwang auskommt. Schauen wir uns Gebrauchsgegenstände aus der Zeit an, als wir noch hartes Geld hatten. Man kaufte Möbel, die Generationen überdauerten, und Schuhe, die man zum Schumacher brachte, um sie reparieren zu lassen. Wenn wir nachhaltig mit unserem Geld umgehen, werden wir auch nachhaltig mit unseren Ressourcen umgehen.

Bei Bitcoin gilt: "Rules but no rulers". Ein System mit festen Regeln, aber ohne zentralen Herrscher kann eine Gesellschaft gerechter und transparenter machen, weil keine einzelne Institution willkürlich über die Geldpolitik entscheiden oder die Geldmenge manipulieren kann. Bitcoin schützt vor Inflation und Enteignung, weil niemand einfach neues Geld drucken kann. Es gibt also keinen Undo-Button mehr in der Geldpolitik - ergo, Politik muss überlegt, vernünftig und nachhaltig werden. Wäre das nicht toll?

Letztlich liegt die gesellschaftliche Veränderung liegt für mich jedoch im Individuum. Bitcoin verändert einen selbst - wenn es vielen Menschen so geht, wird es in der Konsequenz auch die Gesellschaft verändern. Das braucht aber Zeit, wahrscheinlich mehrere Generationen, denn die Entscheidung für Bitcoin ist freiwillig.

5. Wo siehst du deine Aufgaben auf diesem Weg?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich eine Aufgabe oder Mission zu erfüllen habe. Ich habe mir lediglich selbst die Aufgabe gestellt, besser zu verstehen, was dieses Ding "Bitcoin" ist. Einen Teil meines Weges zu einem tieferen Verständnis von Bitcoin lege ich offen. Durch meine Podcasts und meine Arbeit an Bitcoin Content. An dieser Stelle erlaube ich mir, frei nach Immanuel Kant zu zitieren: „Bitcoin ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Vertrauen auf einen Dritten zu bedienen.” Na, wer darin keine Aufgabe findet ;-)

6. Wo nimmst du die Energie für deinen Antrieb her?

In meinem Podcast die "Bitcoin Bibliothek" war Brandon Quittem, der Autor von "Bitcoin is the Mycelium of Money" zu Gast. Ich habe ihm genau diese Frage gestellt und ich hätte nicht besser antworten können als er es: "Separating money from state is a morally just cause. Once you view Bitcoin properly through that lense, you do feel like you want to contribute, because it's something bigger than yourself."
Die Trennung von Geld und Staat ist eine moralisch gerechte Sache, weil sie Machtmissbrauch, Inflation und ungerechte Umverteilung durch Regierungen verhindert und das Individuum stärkt. Wer Bitcoin aus dieser Perspektive betrachtet, erkennt möglicherweise auch die tiefere Bedeutung von Bitcoin für die Freiheit des Einzelnen, den damit verbundenen gesellschaftlichen Fortschritt und fühlt sich motiviert, zur Weiterentwicklung dieses dezentralen Systems beizutragen. Mir geht es zumindest so.

Vertraue meinen Texten nicht blind, am besten ist es, wenn du die Inhalte selbst verifizierst. Keine Anlageberatung!

 
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Was erhalte ich eigentlich, wenn ich Bitcoin kaufe?

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Guy Swann - Vier Quadranten Modell